So bauen wir Orgeln
Der elsässische Orgelbaumeister und Silbermannexperte Gaston Kern charakterisiert in seinem „Rezept zum Bau einer Orgel“ in vortrefflicher Weise die Machart einer Pfeifenorgel. Er beschreibt deren Einfachheit und zugleich den Mut und die Kunstfertigkeit, in einer Rückbesinnung auf konservative Werte der Kurzlebigkeit unserer Zeit zu trotzen, ohne dabei die Zukunft aus den Augen zu verlieren.
Rezept zum Bau einer Orgel:
- 11 cbm gut abgelagertes Holz, (vor allem Eiche erster Wahl), sodann Tanne; Ebenholz für die Knäufe der Manubrien und Klaviaturbacken, Knochen für die Tasten;
- 350 kg Zinn und Blei
- 15 kg Eisen und Messing
- 20 Felle von Schafen und Ziegen; Pergament;
- 5000 Std. reine Handarbeit
- plus 1 große Portion Erfahrung und Arbeitsfreude
= eine Pfeifenorgel
(alle Angaben beziehen sich auf eine neue Orgel mit etwa 15 Registern)
So werden unsere Orgeln gebaut...
- Orgelgehäuse und Windladen
- Klaviaturen, Spiel- und Registeranlage
- Windversorgung und Pfeifwerk
- Intonation und Stimmung
Orgelgehäuse und Windladen
Das Angebot eines Orgelneubaus oder einer Restauration
sollte immer detailliert sein und die Einzelheiten der Arbeit
genau beschreiben. Nur so sind diese Arbeiten und der damit
verbundene Aufwand und die Kosten effektiv vergleichbar.
Nachfolgend stellen wir Ihnen die Machart unserer Instrumente
anhand einiger Auszüge aus unseren „bautechnischen
Erläuterungen“ vor.
Das Orgelgehäuse besteht grundsätzlich aus massivem
Holz allerbester Qualität. Es werden bei der Auswahl der Hölzer keine Kompromisse eingegangen, sog. „Dreischichthölzer“
finden keine Verwen-
dung. Diese Produkte werden
oftmals aus minderwertigem Holz hergestellt und entsprechen
sowohl
in ökologischer als auch in qualitativer Hinsicht
nicht den Anforderungen eines künstlerischen Instrumentenbaus.
Die Beachtung der entsprechenden Einschlag und
Lagerbedingungen der Stämme ist Grundvoraussetzung.
Alle Hölzer sind mind. 5 Jahre luftgetrocknet und anschließend
in
der Werkstatt den entsprechenden klimatischen
Bedingungen des Aufstellungsortes angepasst. Alle größeren
Gehäuseflächen sind zur besseren Klangabstrahlung innen
„geschrubbt“. Hierbei entsteht eine Vergrößerung der klangbrechenden
Fläche. Ganz wesentlich für das Erscheinungsbild
der Orgel ist die Bearbeitung der Holzoberflächen.
Sowohl die Gehäuseteile als auch alle Teile im Innern des
Instrumentes werden von Hand gehobelt. Eine sog. „Finiermaschine“
dient nur zur Vorbereitung der Oberflächen.
Das Handhobeln stellt einen erheblichen Arbeitsaufwand
dar, der für die Ausstrahlung des Instrumentes unumgänglich
ist. Lichtbrechung und Offenheit der geschnittenen
Holzfaser gewähren eine Oberfläche von höchster Güte und
machen eine weitere Behandlung völlig überflüssig. Gehäusekonstruktion
und sämtliche Holzverbindungen sind
in klassischer Manier gefertigt und unterstützen damit
Klangverschmelzung und Resonanz.
Die Windladen sind aus feinstem bis zu 15 Jahren abgelagertem
Eichenholz in klassischer Bauweise gefertigt, die Ventilseite
des Kanzellenrahmens ist gespundet und beledert, die
Stockseite mit max. 120 mm breiten Eichenriftsbrettern
parallel verleimt. An den Stoßfugen sind die Kanzellenschiede
mit einer zwischengelegten Lederschicht verdoppelt. Damit
werden Risse vermieden. Die Schleifen sind aus Eichenholz,
Dichtungen aus hochwertigem Kaschmir, Pulpeten aus
ausgewähltem Lammleder gefertigt. Ventile und Federn
werden ebenfalls nach klassischen Vorbildern hergestellt.
Die eingelegten Verschlüsse sind mit handgeschmiedeten Haken und Griffringen versehen.
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Klaviaturen, Spiel- und Registeranlage
Ein besonderes Augenmerk richtet sich auf die Klaviaturen.
Feinstes Eichen- und Fichtenholz dient der Herstellung der
Tasten. Die Beläge sind in einer Stärke von mind. 3 mm ausgewählt.
Bei Beinbelägen erfordert dies einen besonders
hohen Aufwand. Die Pedalklaviaturen werden aus extra
hartem Eichenholz gefertigt. Grundsätzlich sind alle Besonderheiten
der Gestaltung möglich.
Alle Teile der Spiel- und Registertraktur sind aus Eichenholz
gefertigt. Auf Grund besonderer Platz- und Konstruktionsbedingungen
können einzelne Teile der Registertraktur aus
speziellen Hölzern wie Bergfichte, Weissbuche o.ä. hergestellt
werden. Auch geschmiedetes Eisen kann zur Verwendung
kommen. Je nach Beanspruchung werden Eichenhölzer
von äußerster Härte verwendet. Eichenholz ist nicht gleich
Eichenholz. Dieses Verfahren erfordert einen hohen Zeitaufwand
beim Zubereiten der Hölzer, nur so entsteht ein geschlossenes
Bild der gesamten Orgeltechnik mit einem hohen
ästhetischen Wert, der dem Äußeren des Instrumentes entspricht.
Die gesamte Spiel- und Registertraktur arbeitet geräuscharm
und ist nur an den wesentlichen Stellen durch
Leder und Kaschmir gedämmt. Ein sensibles Spiel ist selbstverständlich.
Alle technischen Teile sind auch bei komplizierten
Gegebenheiten gut zugänglich und an den wichtigen
Stellen mit Ledermuttern regulierbar. Dies gewährleistet
eine hohe Wartungsfreundlichkeit und in Verbindung mit
den erstklassigen Materialien geringe Wartungskosten.
Windversorgung und Pfeifwerk
Eine der Qualität der Orgel angemessene Windversorgung
ist im Zusammenhang mit der weisen Bemessung der Windladen,
der erstklassigen Herstellung der Pfeifen und deren
kunstvoller Intonation eine Grundvoraussetzung eines lebendigen
Orgelklangs. Alle Bälge und Kanäle werden aus Eichenholz
oder feiner Bergfichte gefertigt. Die Bälge werden je
nach Gegebenheit als Keilbälge mit drei oder mehr Falten
oder als paralleler Magazinbalg gebaut. Die Durchmesser
der Kanäle nehmen zu den Windladen ab, rechtwinklige Knie
werden mit Windwirbelkästen ausgestattet. In der Nähe der
Laden stehen unter Umständen Ausgleichsbälge. So kann
ein lebendiger Wind ohne störende Bewegungen erzeugt
werden.
Entscheidend für die musikalische Qualität einer Orgel ist
die Beschaffenheit und Herstellung der Pfeifen. Alle Einzelheiten
wie genaue Mensurierung und Legierung, die Wahl
der Metallerzeugung, die Metallbehandlung wie Gießen,
Schaben, Hobeln, Hämmern, Beschaffenheit der Oberfläche
usw. werden aufgrund jahrzehntelanger Erfahrung und der
Beschäftigung mit Instrumenten verschiedenster Epochen
festgelegt. Das gilt natürlich auch für alle Zungen- und
Holzpfeifen. Die Holzpfeifen sind aus besten Materialien
hergestellt und auf eine fein abgestimmte klangfördernde
Dünnwandigkeit ausgearbeitet.
Intonation und Stimmung
Nach einer sorgsamen Erfassung des Raumes in architektonischer
und akustischer Hinsicht können wesentliche
Rückschlüsse auf Klangkonzept und Gestaltung der Orgel
gezogen werden. Ganz wichtig ist schon in diesem Stadium
der Planung eine klare Vorstellung von der Intonation der
Orgel in Zusammenhang mit einer damit verbundenen stabilen
Stimmung. Die Temperierung muß in Absprache mit
den verantwortlichen Organisten und Sachverständigen dem
jeweiligen musikalischen Grundgedanken des Instrumentes
angepasst werden.
Innerbetriebliche Zeitvorgaben gibt es beim künstlerischen
Arbeitsprozess der Intonation nicht. Allein das optimale
Klangergebnis ist bei dieser bis zu 25 Arbeitsschritte pro
Pfeife erfordernden Tätigkeit maßgebend. Großer Wert
wird darauf gelegt, dass dieses Ergebnis von den verantwortlichen
Orgelbauern in Form von Improvisation und Darstellung
entsprechender Literatur kontrolliert und musikalisch
nachvollzogen werden kann. Ein einfaches chromatisches
Durchspielen der Töne bzw. Anschlagen einfacher
Akkordverbindungen reicht nicht aus.
Viele tausend Arbeitsstunden stecken in jedem neuen Instrument
und in jeder sorgfältigen Restaurierung und Rekonstruktion.
Jede Orgel, die unsere Werkstatt verlässt, wird
immer von etwas Wehmut begleitet. Zuviel Herzblut hängt
an jedem Instrument. Es ist ein großes Glück, eine Orgel
auf ihre lange „Lebensreise“ zu schicken in der Gewissheit,
dass Ihre Entstehung von allen Mitarbeitern mit großer
Liebe und innerer Verbundenheit begleitet wurde.
So möchten wir unseren Instrumenten die wunderbare
„Lebensoktav“ mit auf den Weg geben, die der große Gottfried
Silbermann am Spieltisch seiner Orgel zu Frauenstein
im Erzgebirge anbringen ließ:
Den heilgen´ Glauben in Acht mir nimm,
dies sei dir, Mensch, die reine Prim.
Die Hoffnung auch erhalt´ gesund,
die ist auf der Skala die Sekund.
Zum göttlichen Willen erkling´, o Herz,
in gehorsamer Lieb´ die kleine Terz.
Trifft Müh´ dich und Arbeit hart,
so denk, das sei die rechte Quart.
Sei deinem Nächsten friedlich gesinnt,
und stimm´ zu ihm die reine Quint.
So oft du Vertraun´ zu Gott erweckst,
stärkt dich alsbald die harmonische Sext.
Auch als ein gut´ und heilsam´ Rezept
verehr´des Unglücks schneidende Sept.
Sei mäßig in Worten, Speis´und Schlaf,
dann ruft dich der Herr zur höhern´Oktav.